Criminal Gardening – der Blog

Sie würgen und schmerzen, berauschen und betäuben, sorgen für Wahnvorstellungen, Schweißausbrüche, Kammerflimmern und Atemstillstand – böse Blumen und fiese Kräuter. Aber nicht nur. Ganz banale Gartengewächse haben medizinische Wunder bewirkt, Kriege gewonnen, Karriere im Rennsport gemacht, Strom erzeugt, Gewichte gestemmt, Duelle ausgefochten, als Droge, Schönheitsmittel, Schwangerschaftstest, Gottesurteil, Zungenbrecher, Viagra oder Narkotikum gedient oder sich als Lügendetektor, Massenmörder oder Wetterfrosch profiliert.
Kurz gesagt: Pflanzen sind mehr als die Summe aus Blüten, Blättern und Wurzelwerk.
Und an dieser Stelle werde ich nun regelmäßig ein paar dieser botanischen Superstars präsentieren.

Alraune, die magische Zauberpflanze

Alraune, Mandragora officinarum, autumnalis (sehr giftig)

Die Königin der Zauberpflanzen

Allein der Name dieser magischen Zwergstaude klingt heute noch Ehrfurcht gebietend. Ein mystisches, sagenumwobenes, legendäres, kriminelles wie heilbringendes Gewächs, das als „Menschenpflanze“ bereits im alten Mesopotamien berühmt und berüchtigt war. Jahrhundertelang versah die Alraune ihren – oft lebensbedrohlichen – Dienst als Liebestrank, Narkotikum, Augensalbe oder Mittel gegen Zahnschmerzen, Geschwülste und unerwünschte Schwangerschaften. Sogar als Kampfwaffe hat sie sich bewährt. Schließlich hatten die alten Feldherren weder Panzerfäuste noch Maschinenpistolen zur Hand, da musste man zu List, Tücke und einer ordentlichen Prise Gift greifen. Wie etwa der Numidierfürst Maharbal, der im Kampf gegen aufständische Afrikaner einige Fässer Wein mit Alraunen versetzte und den Rebellen überließ. Berauscht von diesem giftigen Trunk verfielen die Aufständischen erst dem Wahnsinn, dann dem Tiefschlaf, und waren für Maharbal eine leichte Beute.

Als weniger leicht erwies sich der Legende nach allerdings die Ernte dieses Zauberkrauts. Beim Versuch, die Pflanze aus der Erde zu ziehen, stieß die Wurzel angeblich todbringende Schreie aus, vor denen nicht nur Shakespeare und Heinrich Heine warnten, sondern auch Harry Potter. Erst an den Schwanz eines schwarzen Hundes gebunden, konnte man sie gefahrlos in seinen Besitz bringen – und mit ihr reich, gesund und glücklich werden. Auch Goethe besaß ein Exemplar, das er bequem bettete, in kostbare Gewänder kleidete und wöchentlich in Wein zu baden pflegte.
Dabei sieht dieses Nachtschattengewächs mit seinen oberirdischen Teilen gar nicht beeindruckend aus, sondern eher nach Blattspinat, was immer wieder zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führt. Erst vor kurzem landete ein Dutzend Süditaliener im Krankenhaus, weil sie das schwarzmagische Kraut mit Wildgemüse verwechselt hatten und deshalb fast den Löffel abgeben mussten.

Die Aufzucht einer Alraune verlangt einem jedenfalls eine Kombination aus buddhistischer Grundgüte und engelsgleicher Geduld ab. Monatelang tut sich gar nichts, dann schieben sich langsam kleine grüne Blätter ans Licht, heute ein Milimeter, nächste Woche ein weiterer. Spätestens bei 3 Zentimeter fallen die Schnecken über die magische Pflanze her. Und wenn sie dennoch überleben sollte, dann gebiert sie sich als echte Mimose. Fünf Stunden Sonne pro Tag, aber nicht zu Mittag, kaum Regen, keine Wurzelkonkurrenz, kein Wind und keine kalten Temperaturen. Und schon gar kein Standortwechsel – es genügt, sie um einen Meter umzustellen, und sie wird sich beleidigt ins Erdreich zurückziehen.

Info Auch Galgenmännlein, Liebesapfel, Alruniken, Erdmann, Henkerswurzel, Teufelshoden, Drachenpuppe genannt. Niedrig wachsendes Nachtschattengewächs mit Blattrosette und menschenähnlicher, tief reichender Wurzel. Blüht weißlich oder lila und entwickelt kleine, orangerote Beeren.
Inhaltsstoffe Tropanalkaloide, Scopolamin, Atropin, Hyoscyamin.
Vergiftungserscheinung Verwirrtheit, Halluzinationen, Herzrasen, erweiterte Pupillen, Zittern, Übelkeit, Lähmung, Koma, Tod.